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BVG: Mindestzins im Jahr 2021 unverändert bei 1.0 %

Es ist Herbst geworden. Es wird kälter. Die Bäume sind schön farbig. Der Bundesrat entscheidet über den BVG-Mindestzins.

Heute, im Herbst 2020, liegt die Lebenserwartung im Alter 65 bei rund 20 Jahren, die risikolose Rendite unter null.

Der Vorschlag der BVG-Kommission für 2021 lautete 0.75%. Der Bundesrat blieb dann bei 1.0%, vermutlich eher aus psychologischen als aus ökonomischen Gründen.  Damit bleibt uns zwar der Anblick einer Null vor dem Komma erspart. Und 1.0% ist derselbe Wert wie seit 2017, aber weiterhin auch der tiefste, seit es das BVG gibt. Zu Beginn, im Jahre 1985 waren es einmal 4.0%. Dieser Wert sieht heute astronomisch aus, schien damals aber in Stein gemeisselt. Aber da herrschten noch andere Zeiten. Maradona spielte aktiv Fussball. Michael Jackson und Prince lebten und prägten das Musikgeschehen dieser Zeit. Es gab zwei Deutschland, die Sowjetunion und Jugoslawien. Über Negativzinsen hätte man als “amüsantes Gedankenexperiment” gelacht.

Im Jahr 2003 dann verkündete die damalige Bundesrätin Ruth Metzler (Wer erinnert sich?) einen Tabubruch. Der Grund war das Platzen der Dotcomblase mit den Folgen, welche wir unterdessen leider nur allzu gut kennen: Negative Renditen, sinkende Zinsen, Unterdeckung und Sanierungsmassnahmen. Der Bundesrat senkte daraufhin den BVG-Mindestzins auf 3.25%.

Seitdem kennt der BVG-Mindestzins fast nur eine Richtung: Abwärts.

Wie kann das sein? Die Renditen waren doch mehrheitlich positiv bis deutlich positiv und glichen die schlechten Jahre wie 2008 oder 2018 mehr als aus? Gemäss Pensionskassenindex der CS ergibt sich eine durchschnittliche Rendite von rund 3.0% seit dem Jahr 2000. Für den BVG-Mindestzins beträgt dieser Durchschnitt rund 2.2%. Da sieht aus, als würde sogar etwas übrigbleiben!

Die Antwort liegt auf der Passivseite der Bilanz. Bei einer Pensionierung wird das Kapital, welches die versicherte Person in ihrem Erwerbsleben bei der Pensionskasse angespart hat, in eine Rente umgewandelt. Eigentlich ist das nichts weiter als eine Multiplikation, Kapital mal Umwandlungssatz. Aber dieser Umwandlungssatz hat es in sich. Es stecken vor allem zwei Komponenten in ihm, konkret zwei Erwartungen, nämlich die Lebenserwartung und die zukünftige Rendite auf dem Teil des Kapitals, welcher noch nicht als Rente ausbezahlt worden ist. Grundsätzlich wäre das kein Problem. Eine steigende Lebenserwartung oder tiefere zukünftige Rendite senken den Umwandlungssatz.

Aber der springende Punkt ist, dass es für den Umwandlungssatz ein gesetzliches Minimum gibt. Der Gesetzgeber bzw. das Schweizer Volk schreibt also vor, wie lange wir leben und wieviel Rendite ab Pensionierung erzielt wird! Läuft eine Rente einmal, darf sie nicht gekürzt werden.

Das wäre immer noch nur halb so schlimm, wenn wenigstens das Gesetz halbwegs die Realität abbilden würde. Leider ist das nicht der Fall. Als das BVG eingeführt wurde, betrug der Mindestumwandlungssatz 7.2% im Alter 65. Für ein Kapital von CHF 100’000 gab es also eine jährliche Rente von CHF 7’200. Darin steckte eine Lebenserwartung von rund 15 Jahren (ab Alter 65) und eine erwartete Rendite von 3.5%, jährlich und garantiert.

Zehn Jahre später war die Lebenserwartung schon etwas höher. Das hätte einen tieferen Umwandlungssatz bedeutet. Aber die Zinsen waren gerade so hoch! Wieso erhöhen wir nicht einfach die erwartete Rendite auf 4.0%, dann können wir den Umwandlungssatz gleich hoch lassen? Fairerweise muss man erwähnen, dass eine zehnjährige Bundesobligation einen Coupon von rund 5.0% hatte.

Heute, im Herbst 2020, liegt die Lebenserwartung im Alter 65 bei rund 20 Jahren, die risikolose Rendite unter null. Und der Mindestumwandlungssatz? Der beträgt 6.8% im Alter 65. Ein bisschen Lebenserwartung ist darin abgebildet. Aber die Pensionskasse hat immer noch jährlich mindestens 4.0% Rendite zu erzielen.

Und das ist die Antwort, warum die Verzinsung so tief ist. Die Pensionskasse benötigt die Rendite, um die Renten weiterhin zahlen zu können. Denn Kürzen ist verboten. Jede weitere Pensionierung verschlechtert die Situation.

Das ist die berühmte Umverteilung in der zweiten Säule. Die aktiven Versicherten erhalten fast keine Verzinsung, weil das Geld – also die Differenz zwischen effektivem Ertrag und Mindestzins – für die Renten gebraucht wird. Am meisten betroffen sind die Versicherten mit hohen Kapitalien, in der Regel also ab Alter 55. Wenn sie Glück haben, bleibt der Umwandlungssatz bis zu ihrer Pensionierung auf dem jetzigen Niveau. Haben sie Pech, sind sie die ultimative Verlierergeneration: Wenig Zins als aktive Versicherte, und dazu noch einen tieferen Umwandlungssatz bei Pensionierung.

Aber alle jüngeren Versicherten müssten auf eine möglichst schnelle Senkung pochen. Dann gibt’s vielleicht ein bisschen mehr Zins. (Zur Erinnerung: Die bereits laufenden Renten ändern sich nicht.)

Ist dieses Vorhaben realistisch? Das Volk hatte bisher eine klares Abstimmungsverhalten zum Thema “Umwandlungssatz senken”: Nein, nein und nochmals nein. Der aktuelle Umwandlungssatz von 6.8% müsste rechnerisch heute eigentlich bei rund 5.0% liegen.

Also was kann man tun? Die gute Nachricht ist, dass etwas getan werden kann. Zu einem gewissen Teil bleibt man zwar immer von der Umverteilung betroffen. Beim BVG handelt es sich nämlich um eine Mindestvorschrift. Aber gleichzeitig ist es zulässig bzw. explizit erwünscht, dass man mehr macht als das Minimum, also beispielsweise mehr spart als gesetzlich vorgeschrieben. Diesem “mehr” sagt man auch Überobligatorium. Und eben weil das Überobligatorium nicht obligatorisch ist, gelten weniger strenge Regeln.

Konkret kann das so aussehen, dass der Lohn in zwei Teile aufgeteilt wird. Der untere, obligatorische Teil wird in einer Standardpensionskasse versichert. Der Teil darüber wird bei einer zweiten, rein überobligatorischen Pensionskasse versichert. Und bei dieser zweiten Pensionskasse kann man die Umverteilung abstellen, indem z. B. ein korrekter Umwandlungssatz zur Anwendung kommt. Oder es gibt gar keine Renten, sondern nur Kapitalleistungen. Die Anlagestrategie kann man erst noch selber wählen. Wiederum gibt es zwei Möglichkeiten, dies zu tun.

Bei der ersten Variante gilt für alle Versicherten innerhalb eines Kollektivs dieselbe Anlagestrategie. Jeder Arbeitgeber verhält sich also wie eine kleine Pensionskasse. Mit dieser Lösung können u. a. die Steuern von Arbeitgeber und Angestellten massgeblich reduziert werden. Dafür ist theoretisch immer noch eine Unterdeckung möglich.

Bei der zweiten Variante, den sogenannten 1e-Plänen für Lohnbestandteile ab CHF 127’980 pro Jahr und Person (ab 1.1.2021: CHF 129’060), wählt jede Person ihre eigene Anlagestrategie aus. Die Performance der gewählten Strategie wird zu 100% dieser Person gutgeschrieben. Das gilt auch für negative Performances. Dafür ist keine Unterdeckung möglich. Im Schnitt ergibt sich bei beiden Varianten eine höhere Verzinsung.

Fazit

 Eine regelmässige Analyse der Pensionskassensituation lohnt sich aus verschiedenen Gründen. Aus Sicht der Arbeitgebenden kann unter anderem die Attraktivität im Wettbewerb um Talente gesteigert werden. Aus Sicht der Mitarbeitenden wird die Absicherung während einer Karriere sowie für die Zeit danach im Ruhestand deutlich verbessert. Beide Seiten profitieren dabei zusätzlich von steuerlichen Vorteilen.

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